Phrygischer Weg: Tag 1, Kleine Nachmittagserkundung am Ausgangsort Seydiler

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Gebiet  Anatolien (Türkei)
Startpunkt Seydiler (1100 m)
Gesamtanstieg ca. 75 Höhenmeter
Gesamtstrecke 4.4 km
Anspruch einfach (T2, Wandern)
Datum 9. Mai 2023 (Di.)
   

 

Bild 1:

Mit einem etwas zwiespältigen Gefühl steige ich auf Zuruf des Busfahrers und der übrigen Passagiere aus dem kleinen Bus aus. Der befördert ansonsten heute ausschließlich Einheimische zur nächsten Stadt, hält jetzt aber am Rand der vierspurigen Verbindungsstraße zwischen Afyon und Ankara an einer für meine Augen recht einsamen Stelle an. Erst da bemerke ich das etwas baufällige Bushaltehäuschen, an dem die Minibusse ihre Passagiere aus der kleinen Ortschaft Seydiler auflesen können. Etwas abseits in südlicher Richtung liegt das Dorf, das als Ausgangspunkt für meine erste Trekkingtour auf dem Phrygischen Weg dient. Ich habe trotz Sprachschwierigkeiten und wenig Ahnung vom öffentlichen Nahverkehr in der Türkei mein erstes Etappenziel erreicht.

Eine Moschee begrüßt mich am Ortseingang.

 

Bild 2:

Wahlplakate zur anstehenden Präsidentenwahl

Dabei hatte die Anreise über den Schweizer Flughafen Zürich zunächst mit einem kleinen Schock begonnen. Nachdem die Sicherheitsschleuse beim zweiten Durchlauf sich immer noch mit einem schrillen Piepston beschwerte, meinte die Sicherheitsbeamtin, ich hätte jetzt den Jackpot des Tages gewonnen und ihr Umgangston verschärfte sich deutlich. Ich musste auf ein vorgegebenes Quadrat treten, dort verharren und durfte auch mein Handgepäck nicht mehr anrühren. Die Entwarnung folgte aber auf dem Fuße: Es ging nur darum, dass zufällig ausgewählte Passagiere für einen Drogenwischtest vorgesehen waren und da war ich eben nun (zum zweiten Mal in Zürich) mit dabei.

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Die Karte soll die geographische Lage des Ausgangspunktes für den phrygischen Wanderweg innerhalb der Türkei verdeutlichen.

 

In Antalya angekommen musste ich mir zunächst die Beförderung in Richtung Busbahnhof erfragen. Letztes Mal (2016) hatte mich ein Busfahrer aufgegabelt und einfach netterweise zur etwa 1 km entfernten Bushaltestelle mitgenommen. Diesmal wurde mir diese unerwartete Freundlichkeit nicht zuteil, also hieß es diesmal zu Fuß gehen. Eine freundliche junge Dame verriet mir, wie das mit dem Bezahlen funktioniert. Die Antalya-Tramway-Card von 2016 hatte ich sicherheitshalber mitgenommen und in der Tat war sie noch gültig und wies auch ein Rest-Guthaben von etwa 2 Lire auf. Das reichte 2016 noch für eine reguläre Fahrt im öffentlichen Verkehrsnetz von Antalya. Inzwischen ist der Preis auf etwa 10 Lire pro Fahrt gestiegen; das ist für €-Europäer aber immer noch ein traumhaft niedriger Betrag, nur etwa 50 Cent. Nach einer halben Stunde Wartezeit war immer noch kein Bus in Sicht. Da wies mich die attraktive Rothaarige darauf hin, dass auch alternativ ein Zug Richtung Stadt zur Verfügung steht und dass das für mich zeitlich günstiger wäre. Gesagt, getan. Also wieder zurück in Terminalnähe, wo der Aufgang zu der hochgeständerten Tramway-Haltestelle zu finden ist. Dort stand der Zug auch schon bereit; das Beförderungsentgelt wird dabei vor dem Einsteigen am Drehkreuz einfach elektronisch von der Antalya-Card abgebucht.

Nach langer Fahrt mit unzähligen Haltestellen erreichte der Zug zunächst die Altstadt, dann den Busbahnhof, von dem aus ich am nächsten Tag nach Afyon starten wollte. In der Tat stehen dafür unzählige Buslinien, unter anderem auch der Flixbus (unter dem Namen Kamelcoch) zur Verfügung, die alle zum kleinen Preis Überlandfahrten anbieten. Doch zuvor hieß es noch, die über airbnb gebuchte Übernachtungsadresse, die nur ein Kilometer vom Bahnhof entfernt sein sollte, zu finden. Google hatte unter der Adresse eine Position ausgespuckt, so dass ich frohen Mutes entlang der Hauptverkehrsachse losstapfte. Aber weit und breit - nur Hochhäuser waren zu sehen und nirgendwo die angegebene Hausnummer. Nach mehreren vergeblichen Anläufen blieb nur noch übrig, Einheimische zu bitten, bei meinem Vermieter anzurufen. Das war auch das erste Mal, dass ich die enorme Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden erleben durfte. Ihre Anweisung blieb mir aber wegen der Sprachbarriere zum großen Teil schleierhaft, nur die allgemeine Richtung war klar. Nach wenigen Minuten ertönten mehrere schrille Pfiffe von einen Hochhaus und beim Hochschauen erkannte ich einen Mann auf der Terrasse eines Hochhauses, der mir zuwinkte und so klappte es nach einigen Hürden mit Ismail, meinem Gastgeber, doch noch.

Nach einer erholsamen Nacht ging es am nächsten Morgen wieder zu Fuß zurück zum Busbahnhof, wo ich für 185 TL (ca. 9 Euro) die viereinhalbstündige Fahrt von Antalya nach Afyon erhielt. Auch hier half ein Einheimischer, in dem Gewirr den richtigen Bus zu finden. Bereits die Fahrt nach Afyon ist ein eindrückliches Erlebnis, wobei es zunächst zum Teil recht steil und durch sehr gebirgiges Terrain, vorbei an einem riesigen See (Karakaören-Stausee) auf 1000 m hoch geht. Nach kurzem Aufenthalt in Isparta und einer Mittagessenspause kurz vor Afyon erreichte der komfortable Bus mit Bedienung (Wasser und mehrmals Kekse) kurz nach halb zwei das Städtchen Afyon, für Busse eine wichtige Drehscheibe zwischen Bodrum, Ankara, Antalya und Istanbul. Hier hieß es nun umzusteigen auf den vorher erwähnten Minibus, der in der Tat voll belegt war.

Nun stehe ich an der Bushaltestelle in Seydiler und bin ab jetzt für einige Tage mehr oder weniger auch mich alleine und auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen. Eine Straße führt Richtung Dorf, allerdings erscheint das Dorf zunächst ein bisschen wie ausgestorben und nirgends ist ein Geschäft zu sehen, wo ich mich mit Proviant für die nächsten Tage eindecken könnte. Bei einer Verzweigung scheint mir die Straße, die nach oben ansteigt, eher in die verheißungsvolle Dorfmitte zu führen, was sich dann auch als richtig erweist. Dort befindet sich eine Moschee und ich lerne sofort, dass eine Moschee hier in der Gegend meistens auch fließendes Trinkwasser - das man hier bedenkenlos trinken kann, bedeutet. So stärke ich mich erst mal nach der kurzen Strapaze unter der erträglichen Mittagssonne. Und siehe da: Auf der anderen Straßenseite befindet sich auch ein "Market", wie die kleinen Krämerläden hier heißen. Dort sitzen draußen vor der Tür auch einige jüngere und ältere Leute (von denen die junge Frau etwas Englisch spricht), die mich mit meinem ganzen Krempel schon beäugen und die am Teetrinken waren. Sofort wird man dort natürlich in die Teetrinkerrunde integriert. Leider soll es mir noch häufig passieren, dass meine Türkischlernversuche in solch einer Runde so gut wie keinen Nutzen erbringen.

Ich will schon weiterziehen, das lassen die Leute aber nicht zu. Eine Frage, die ich verstand, ist, ob ich hungrig sei. Nachdem ich das bejahte und nichts weiter denke, kommt eine Viertelstunde später eine Riesenplatte mit Schälchen, gefüllt mit allen Köstlichkeiten: Honig, Joghurt, Gurken, Tomaten, mehrere Arten Käse, Brot etc. Zusammen mit dem Inhaber machen wir uns über die Platte her. Die Frage, was das kosten solle, ist fast schon eine Beleidigung, wie ich an der Reaktion der Leute feststellen kann, aber mir ist das gar nicht so recht. So versuche ich mich erkenntlich zu zeigen, indem ich wenigstens bei ihm die Vorräte einkaufe. Allerdings gibt es auf dem Land, abgesehen von einigen Markttagen, außer Brot kaum frische Lebensmittel. So konnte ich lediglich Brot, die türkische Sucuk-Wurst, Datteln und viele Schokoladenriegel ergattern, aber das erwies sich für die nächsten Tage trotzdem als ausreichend. Mein Zelt habe ich zwar mit dabei, aber auch auf meine Frage, wo man hier schlafen könne, werde ich angenehm überrascht. Fast jedes Dorf besitzt eine kleine Halle, in der Gäste übernachten können und auch hier bietet sich diese Gelegenheit an. Dabei handelt es sich in der Regel um ein mit Teppichen und Matratzen ausgelegtes Gebäude, das in der Regel eine Wasserversorgung und nebenan eine Stehtoilette aufweist. Da in dem ersten Gebäude die Stromversorgung nicht funktioniert, werde ich ein paar Stunden später unerwartet in ein deutlich feudaleres Gebäude mit Küche (mit Fertigkaffee!) umquartiert. Auch diese Übernachtungsmöglichkeit erweist sich als kostenfrei!

Bild 3:

Nach meiner Einquartierung ist noch genügend Zeit, die Umgebung von und in Seydiler etwas zu erkunden.

 

Bild 4:

Im Osten oberhalb des Dorfes liegt eine kleine prominente Erhebung, genannt Seydiler Castle, mit zerklüfteten Tuff-Felsen und Felsenwohnungen. Ganz rechts hinten ist der grelle leuchtende Marmor-Steinbruch zu erkennen, für den Seydiler eher bekannt ist als für die geologischen Besonderheiten.

 

Bild 5:

Auf dem Weg zum Seydiler Castle: Blick auf Seydiler und Umgebung

 

Bild 6:

Seydiler Castle

 

Bild 7:

Seydiler Castle

 

Bild 8:

Blick von Seydiler Castle auf das Dorf

 

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Blick vom Seydiler Castle auf die Landschaft

 

Bild 10:

Hier ist, wie auch anderswo, die höchste Erhebung mit einer patriotischen Flagge geschmückt.

 

Bild 11:

Seydiler

 

Bild 12:

Die Gebäude des Dorfes ziehen sich bis zum "Castle" hoch.

 

Bild 13:

Blick vom Seydiler Castle auf Seydiler und die Landschaft

 

Bild 14:

Blick nach Norden auf die vielversprechende Strecke, die ich ab morgen in Angriff zu nehmen hoffe.

 

Bild 15:

Einstimmung auf die zu erwartenden Felsgebilde und Fairy Chimneys (Feenkamine)

 

Bild 16:

Seydiler: viele Schulbusse sind hier unterwegs, denn die Ortschaft ist im Gegensatz zu vielen anderen Dörfern, in denen nur die Älteren zurückgeblieben sind, recht kinderreich.

 

Bild 17:

Seydiler und Umgebung

 

Bild 18:

Der Marmor-Steinbruch

 

Bild 19:

Eine andere Sehenswürdigkeit innerhalb von Seydiler sind die Kuztepe Fairy Chimneys, Feenkamine wie sie auf den Wanderetappen in dieser oder ähnlicher Form häufig anzutreffen sind.

 

Bild 20:

Kuztepe Fairy Chimneys

 

Bild 21:

Kuztepe Fairy Chimneys

 

Bild 22:

Eine Höhle wird als Lagerstätte genutzt. In den senkrechten Fels gehauene Tritte führen den furchtlosen Besitzer hoch zu dem Lagerraum.

 

Bild 23:

Seydiler

 

Bild 24:

Bewässerung nach System heißt hier die Devise.

 

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Seydiler

 

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Blick hoch zum Seydiler Castle

 

Bild 27:

Eine typische Straße

 

Bild 28:

Ausgemusterter alter Traktor

 

Bild 29:

ausgemusterte landwirtschaftliche Geräte

 

Bild 30:

Ich unternehme nochmals einen Kurzausflug zu den Feenkaminen am Rande des Dorfes, wo auch gerade eine neue Brücke gebaut wird.

 

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Feenkamine

 

Bild 32:

 

Bild 33:

Feenkamine

 

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Feenkamine

 

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Feenkamine

 

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Feenkamine

 

Bild 37:

Feenkamine

 

Bild 38:

Feenkamine

 

Bild 39:

Feenkamine

 

Bild 40:

Feenkamine

 

Bild 41:

Feenkamine

 

Bild 42:

Feenkamine

 

Bild 43:

Feenkamine

 

Bild 44:

Feenkamine

 

Bild 45:

Feenkamine

 

Bild 46:

Feenkamine

 

Bild 47:

Ein einzeln stehender Fels ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse.

 

Bild 48:

In den Fels ist auch eine kleine Kapelle eingebaut.

 

Bild 49:

Ein "Fenster"

 

Bild 50:

Wie an den regelmäßigen Formen zu erkennen, sind manche Löcher des weichen Gesteins von Menschenhand erweitert worden.

 

Bild 51:

Meine erste Unterkunft

 

Bild 52:

Die "Ersatz"unterkunft, nachdem man mir es nicht zumuten wollte in einer Herberge ohne funktionierende Stromversorgung zu nächtigen. Ich hätte mich für alles als dankbar erwiesen und bin auch mehr als zufrieden, dass ich nicht gleich mein Zelt aufschlagen muss. Denn kurz nach meinem Erkundungs-Spaziergang fängt es zum ersten Mal an zu regnen. Zwar nur kurz aber durchaus heftig.