Piano dei Cavalli (Valchiavenna)

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Gebiet Valchiavenna (Italien)
Startpunkt Isola (1268 m)
höchster Punkt 2322 m
Gesamtanstieg ca. 1100 Höhenmeter
Gesamtstrecke 5:30 h, ca. 15 km
Anspruch einfach (T2, Alpinwandern)
Datum 11.06.2009 (Do.)
Route [Abstecher: Cardinell-Schlucht] Isola (1268 m, P am Stausee) Alpe Zocano (ca. 2000 m) Piano dei Cavalli Lai Bianco (2322 m) Borghetto (1897 m) Valle Febbraro Isola

 

nebelverhangener Blick zu den Schwarzhörnern

Bild 1:

Schon wieder ist ein ganzes Jahr vergangen. Da für den Monat Mai ein Trekking-Urlaub nach Marokko geplant war, war es mir nicht möglich gewesen, wie in den Vorjahren Anfang Mai den ersten Besuch im fernen südlichen Gefilde zu unternehmen. Außerdem lag in diesem Jahr noch außerordentlich viel Schnee, und das Wetter hatte sich noch nicht stabilisiert. Die Pfingstfeiertage dienten noch der Erholung von den Strapazen des nordafrikanischen Atlasgebirges.

Erst Mitte Juni hatte sich wieder genügend Verlangen nach einem Tourenwochenende angesammelt. So ging es also am Fronleichnamswochenende wieder in aller Herrgottsfrühe los Richtung Splügen. Für Donnerstag war noch durchwachsenes Wetter angesagt; im Süden sollte es geringfügig besser sein. Kurz vor dem Splügenpass riss denn auch die Wolkendecke schon öfters wieder auf, aber immer wieder verdunkelten Nebelschwaden den Horizont und den Himmel. Obwohl es schon Mitte Juni ist, liegen noch erstaunliche Restmengen an Schnee. Blick Richtung Osten zu den ersten Aufhellungen rund um die Schwarzhörner, kurz vor dem Splügenpass.

 

Blick in die Cardinell-Schlucht

Bild 2:

Die Hoffnung, jenseits des Passüberganges auf einen strahlend blauen Himmel zu stoßen, ging leider diesmal nicht in Erfüllung. Im Gegenteil, im Valle Spluga war es deutlich unangenehmer, die Sonnenstrahlen konnten sich hier überhaupt nicht durchsetzen.

Doch jetzt, erst gerade mal kurz nach acht Uhr, aber nach immerhin etwa drei Stunden Fahrt, schien es höchste Zeit zu sein, sich mal die Füße zu vertreten. Am Örtchen Montespluga war ich schon längst vorbei, ohne anzuhalten und den obligatorischen ersten Espresso im südlich-sonnigen Süden zu genießen. Aber kurz nach der Staumauer des Monte Spluga-Sees bei Stuetta schien eine gute Stelle, den Wagen abzustellen und sich kurz in die berühmt-berüchtigte Cardinelloschlucht hinein zu wagen, und so hoffte ich, einen kleinen Blick dort hinunter werfen zu können. Und in der Tat wurde ich wenigstens hier nicht enttäuscht. Nach nicht viel mehr als hundert Metern öffnete sich direkt vor meinen Augen das gähnende Loch, das im lawinengefährlichen Frühjahr vor zwei Jahrhunderten immerhin schon einen Teil Truppen Napoleons verschlungen hat. Inzwischen ist natürlich alles besser ausgebaut, zumal dieses Stück inzwischen nicht mehr von Truppenlegionen sondern von Heerscharen von Wanderern (und teilweise sogar unerschrockenen Mountainbikern) als Teil des Trekking Valle Spluga (TVS) begangen wird.

Steil, aber ungefährlich geht es auf einem (heute sehr feuchten) Rasenhang abwärts. Bald stößt man auf den viel begangenen Weg des TVS. Hier sieht man, wie er an manchen Stellen den Felsen mühsam abgerungen worden war. Der Weg selbst ist jedoch breit, teilweise versichert und somit ungefährlich zu begehen.

 

Isola

Bild 3:

Der Wetterbericht hatte für den Donnerstag eher für das Tessin als für das Engadin gutes Wetter verhießen, und so hatte ich mir als Start eine Tagestour im Valle Spluga ausgesucht. Da in Höhen über 2000 m noch eine Menge Schnee lag, kamen nur tiefer gelegene Gebiete in Frage, und Isola auf etwa 1 300 m Höhe erschien mir ein guter Startpunkt. Dort lockt das von uns noch nicht begangene Valle Febbraro sowie einige prähistorische Fundstellen im Piano dei Cavallo, die ich besuchen wollte.

Der Wanderweg führt vom Parkplatz am dortigen Stausee kurz durch die Ortschaft, an der Kirche vorbei aufwärts und biegt dann in eine Seitenstraße ein. Kaum sichtbar ist der Weiterweg, der wohl selten begangen wird, da inzwischen eine Fahrstraße hoch bis ins Valle Febbraro gelegt ist.

Der Tau lag noch dick auf dem Gras und erinnerte mich sehr schnell daran, dass meine notdürftig geflickten Schuhe offensichtlich nicht mehr völlig wasserdicht sind. Nach kurzer Zeit hatte ich mich aber an das ärgerliche Nässegefühl gewöhnt.

Blick zurück auf Isola. Am rechten Bildrand das mit grüner Kupferpatina bedeckte Kraftwerk, angetrieben von der Wasserkraft des Monte Spluga - Stausees.

 

Grüner Germer

Bild 4:

Grünlicher Germer steht in unkrautartig dichten Beständen am Wegesrand.

 

Ziegen

Bild 5:

Steil geht es nun aufwärts. Bald stoße ich auf eine neugierig-scheue kleine Herde frei herum streunender Ziegen.

 

Bildstock bei Frongdaglio

Bild 6:

Bald ist die schöne Anstiegspassage auf gutem Wanderweg und durchs hohe Gras zu Ende und wird durch eine Asphaltstraße abgelöst. Kurz darauf muss ich mich für eine Richtung entscheiden - hinein ins Valle Febrarro oder hoch zur karstigen Ebene, das ist die Frage! Ich entschließe mich für Letzteres, also dem Anstieg zur Piano dei Cavalli, in der Hoffnung, hier nicht die Straße benutzen zu müssen. Doch diese Hoffnung trügt. Einige Hundert Höhenmeter geht es nun auf dem ausgebauten Fahrweg hoch nach Frongdaglio und darüber hinaus. Nur manchmal lassen sich die weit ausholenden Serpentinen abkürzen. Als ich fast schon entnervt wegen der langweiligen Strecke entlang der Straße aufgeben will, endet der Fahrweg bei einem hochgelegenen Dorf; mit dem Fahrweg enden aber auch die Hinweisschilder. Da aus der Karte nicht ganz klar hervor geht, bei welchem Dorf ich mich befinde, nehme ich zunächst den prominentesten Weg, der Richtung Süden führt. Bald merke ich, dass er tendentiell eher abwärts führt und es sich folglich nicht um den Anstiegsweg handeln kann. Stattdessen befind ich mich, so belehrt mich die Karte, auf dem Abstiegsweg nach Starleggia. Ich drehe also wieder um und bald wird klar, welchen Fehler ich begangen habe. Im Bestreben, die Straße zu meiden, habe ich mich querfeldein durch Büsche und Wiesen geschlagen und so die Abzweigung um wenige Meter versäumt.

Bildstock bei den letzten Häusern von Frongdaglio auf etwa 1 700 m

 

Gämse

Bild 7:

Ich sehe eine schnelle Bewegung und werde gerade noch gewahr, wie eine scheue Gämse hinter dem Hang verschwindet.

 

Enzian

Bild 8:

Der Weg ist nun nicht mehr ganz eindeutig und so folge ich einfach meinem Gefühl, denn in Zusammenklang von Karte und Landschaft ist die einzuschlagende Richtung in etwa zu erkennen.

Auf etwa 2 000 m kommt man an der anscheinend verlassenen (?) Alpe Zocano vorbei. Hier macht sich im scharfen Wind ein Teil meiner schon etwas lädierten Wanderkarte selbständig, was später im weglosen Schnee zu einer zeitraubenden Wegsuche führen wird.

Gute einhundert Höhenmeter steigt der Weg noch an, dann wird das Gelände flacher und der Weg schwenkt Richtung Westen ein. Bald wird eine große Ebene sichtbar; aber noch dauert es eine halbe Stunde, bis die in weiter Ferne sichtbare (und zur Mittagsrast einladende) Steinpyramide erreicht sein wird.

Am Wegesrand blüht der Enzian

 

Steinpyramide in der Piano dei Cavalli

Bild 9:

Die Karstfläche der Piano dei Cavalli ist nun erreicht. Im Windschatten der Steinpyramide ist es schon prächtig warm, zumindest wenn die Sonne sich einen Weg durch eine Wolkenlücke bahnen kann - Zeit dafür, die nassen Socken zu trocknen, ein stärkendes Mahl einzunehmen und eine ausgiebige Mittagsrast einzulegen.

 

Höhleneingang

Bild 10:

Erst nach längerer Rast fällt mir ganz in der Nähe eine Info-Tafel auf. Barfuß begebe ich mich dorthin und mache mich über die Sehenswürdigkeiten dieser Ebene sachkundig. Hier geht es um den unscheinbaren Eingang zu einer umfangreichen, weit verzweigten Höhle.

 

Piz Pian

Bild 11:

Allmählich scheint sich das Wetter etwas zu verbessern. Doch immer noch jagen dicke Nebelschwaden das Valle Febrarro hinunter und geben nur manchmal den Blick nach Norden auf den markanten Piz Pian (3 149 m) frei.

 

Passo dell Balniscio

Bild 12:

Nach der erholsamen Rast ist es Zeit, sich den Weiterweg vorzunehmen. Angesichts der absehbaren Restschneemassen (und der verlorenen Wanderkarte) ist es etwas unklar, wo der Weiterweg verläuft und ob die Route überhaupt zu passieren ist. Das Gelände ist aber einigermaßen gut zu überblicken und so versuche ich natürlich, die Rundtour zu komplettieren.

Blick nach Nordwesten mit dem Einschnitt des Passo dell Balniscio (ca. 2 350 m), der mir nun als ungefährer, zu erreichender Orientierungspunkt dient. Irgendwo an der Nordflanke der südlich davon gelegenen Berge M. Baldisco und Cma. di Barna gilt es, einen gangbaren Übergangsweg zu finden.

 

Passo dell Balniscio

Bild 13:

Von hier aus ist gut zu sehen, dass der Übergang auf die andere Seite des Valle Febrarro nicht sehr schwierig sein sollte. Es ist mir nicht ganz klar, ob der Weiterweg in der Schneeflanke oder unterhalb der Schneegrenze verläuft. Gefühlsmäßig stelle ich mich auf die erstere Variante ein - doch diesmal sollte mein Gefühl leider nicht recht behalten.

 

Borchetto

Bild 14:

Blick nach Norden jenseits des Valle Febrarro mit der Ortschaft Borchetto (ca. 1 900 m), durch die später mein Abstiegsweg verlaufen wird.

 

Piz Stella

Bild 15:

Beim Blick zurück Richtung Südosten. Über das Valle Spluga hinweg wird gelegentlich der Blick frei auf die markante Pyramide des Piz Stella (3 163 m).

 

Piz Stella

Bild 16:

Ausschnitt aus dem vorigen Bild mit dem Piz Stella (3 163 m).

 

Piz Stella

Bild 17:

Rundblick Richtung Osten mit Piz Stella (rechts); ganz links wird ein Teil des Lago di Monte Spluga sichtbar.

 

Piz Stella

Bild 18:

Der Weg steigt nun weiter an und es sind dabei immer mehr Schneefelder zu queren.

Noch ein weiterer Blick zurück nach Osten mit dem Piz Stella sei erlaubt!

 

Unbekannter Gipfel

Bild 19:

Unbekannter Gipfel Richtung Südost

 

Borghetto

Bild 20:

Borghetto, mein angepeiltes Zwischenziel, jenseits des tief eingeschnittenen Valle Febbraro.

 

Pian dei Cavalli

Bild 21:

In der Pian dei Cavalli wurden von Archäologen umfangreiche Ausgrabungen und Untersuchungen unternommen, die einen Einblick in die Siedlungsgeschichte das Valchiavenna, bis zurück in die mittlere Steinzeit (ca. 8500-5000 v.Chr.) und möglicherweise sogar darüber hinaus erlauben. Einige der Funde sind im Museum des Valchiavenna Tales in Chiavenna ausgestellt.

Insbesondere palynologische Untersuchungen (Untersuchungen anhand von Pollen), aber auch verkohlte Rückstände in den Schichtablagerungen des kleinen Lago Basso gewährten Wissenschaftlern Einblicke in die Vegetationsgeschichte des Gebietes (Wald, Wiesen) bis zurück in die Ausgänge der letzten Eiszeit. Auch der Einfluss der menschlichen Besiedlung ließ sich indirekt an diesen Sedimenten ablesen.

 

Schneefelder in der Pian dei Cavalli

Bild 22:

Immer häufiger sind nun Schneefelder zu queren. Der Schnee selbst trägt - außer an den Rändern - zum Glück sehr gut. Trotzdem wird der Anstieg langsam etwas mühsam.

 

Pian dei Cavalli

Bild 23:

Wie erwähnt glaube ich gefühlsmäßig, dass der Weg hier praktisch parallel auf der jetzigen Höhe verlaufen wird. So steige ich noch ein Stückchen an, um den weiteren Verlauf zu überblicken. Oben angekommen wird sofort klar, dass das Gelände viel zu steil ist um durch die Felsabbrüche zu kommen. Wegmarkierungen sind hier nicht mehr zu erkennen. Die einzige Alternative erscheint mir, in die Auslaufebene der Lawinen abzusteigen, denn von dort aus ist der Weiterweg eine Trivialität. Aber wie in die Ebene hinab kommen? An dieser Stelle ist ein Felsabbruch, der nicht zu überwinden ist.

 

Pian dei Cavalli

Bild 24:

Schweren Herzens drehe ich also um, schon beinahe damit abgefunden, den begangenen Weg mit all seinen Mühsalen wieder zurück gehen zu müssen. Ich halte mich aber immer am Rande, um nicht doch noch eine Abstiegsmöglichkeit zu verpassen. Und tatsächlich stehe ich plötzlich an einem viel weniger steilen Hang. Sollte es etwa hier ein Durchkommen geben? Ich muss mich entscheiden ... Ganz genau kann ich nicht sehen, wie das Gelände unten sein wird. Im schlimmsten Fall hei0t es, die 100 Höhenmeter wieder hoch laufen. Aber das Risiko nehme ich auf mich. Schon auf halber Strecke wird klar, dass ich gewonnen habe. Denn dort finde ich in der Tat an den blanken Stellen wieder die willkommenen Wegzeichen. Also geht es frohgemut weiter und nur 10 Minuten später stehe ich in der so lange nur von weitem erblickten Ebene. Die Ebene ist von einigen Ausläufern diverser Lawinen bedeckt.

 

Pian dei Cavalli: Lawinenfelder

Bild 25:

Noch das Lawinen- und das Schneefeld ist zu queren, dann liegt das Schlimmste hinter mir.

 

Abstiegsweg von der Pian dei Cavalli

Bild 26:

Blick zurück:
Der Abstiegsweg führte letztlich über die schräge Rampe ganz links hinten.

 

Abstiegsweg von der Pian dei Cavalli

Bild 27:

Blick zurück: Gut sichtbar sind oben die Felsabbrüche, über die ich keinen Abstiegsweg gefunden hatte. Der Wanderweg, den ich letztendlich genommen hatte, verläuft nach dem Abstieg von der Hochebene in etwa auf halber Höhe (in etwa auf Höhe der Lawinenzungen)

Nun muss ich nur noch den Gegenhang erklimmen und ich befinde mich endlich wieder in schneefreiem, südexponiertem Gelände. Allerdings bin ich momentan wieder weglos, denn der ausgeschilderte Weg führt von hier aus zunächst noch einiges in die Höhe und diese Höhenmeter möchte ich unter allen Umständen vermeiden. Das Gelände ist einigermaßen übersichtlich und so lasse ich mich einfach treiben und stoße in der Tat auf einen weiteren markierten Weg.

 

Valle Febbraro

Bild 28:

Blick hinunter ins Valle Febbraro.

 

Gipfel

Bild 29:

Gipfel in südlicher Richtung

Auf einfachem Weg geht es nun weiter. Bald führt der Weg hinab zu der auf einem Sonnenbalkon gelegenen Ortschaft Borghetto. Zum Glück ist diesmal der Weg auf der Fahrstraße nur kurz, danach verläuft er als einfacher Abstiegsweg hinunter ins Valle Febbraro.

 

Perlmutterfalter

Bild 30:

Perlmutterfalter bei Borghetto

Steil geht es nun bergab bis fast hinunter zur Talsohle

 

Steinhäuser oder Speicher

Bild 31:

Speicher, ganz in den Hang eingebaut

Auf bequemer Fahrstraße, für die ich jetzt dankbar bin, geht es nun wieder zurück Richtung Zivilisation und mit jedem abgestiegenen Höhenmeter hält der Berg-Frühling mehr und mehr Einzug.

 

Wasserfälle

Bild 32:

Wasser, Wasser überall ... !

 

Piz Groppera

Bild 33:

Blick übers Valle Spluga hinweg auf die Gipfel Richtung Osten (rechts: Piz Groppera).

 

M. Baldisco und Cma. di Barna

Bild 34:

Blick in die entgegengesetzte Richtung, aus der ich gekommen bin (M. Baldisco und Cma. di Barna)

Inzwischen hat sich auch das Hochdruckwetter mehr oder weniger durchgesetzt und verspricht für die nächsten Tage angenehmere Bedingungen.

 

Isola

Bild 35:

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